Die Frage des Elfen hatte ihr zu denken gegeben. Und auch wenn sie diese anfangs klar und ohne z?gern beantwortet hatte, so kam diese Antwort für sie selbst fast überraschend.
Nein, sie hatte es nicht bereut, ihn am Leben gelassen zu haben.
Sie tut es auch jetzt nicht. Und selbst wenn sie diese Entscheidung nochmal treffen müsste, diesmal mit dem Wissen, wie die Geschichte für sie ausgeht, so würde sie ihn trotzdem nicht hinrichten.
Viel schwieriger ist die Frage wieso. Wieso sollte sie ein Monster, einen M?rder und eine Bedrohung wie ihn verschonen wollen. Was für einen Grund k?nnte sie haben, einen Hybriden auf dem Servierteller pr?sentiert zu bekommen und ihm dennoch nicht auf der Stelle ein Schwert durch die Brust zu jagen.
Darauf hat sie keine Antwort, nur ein Gefühl, tief in ihrem Inneren vergraben und so flüchtig, dass sie es kaum ausmachen kann. Sie h?tte es Schade gefunden, ihn tats?chlich hinrichten zu müssen, so als würde mit ihm etwas Aufregendes, Interessantes aus der Welt verschwinden.
Doch je n?her sie dieser Regung kommt, desto mehr entgleitet es ihr. Sie findet keinen Sinn, keine logische Erkl?rung und so rinnt ihr das Gefühl, welches sie zu greifen versucht, wie Sand durch die Finger.
Sie seufzt und gibt schlie?lich auf. Weiter darüber zu grübeln bringt auch nichts. Stattdessen sollte sie sich auf ihre Umgebung konzentrieren. Sie wei? immer noch nicht, was der Elf vor hat und weder seine Mine noch die frechen Bemerkungen geben seinen Plan preis.
Noch dazu ist sie sich ziemlich sicher, dass sie bereits seit mehr als drei Tagen Richtung Norden wandern, anstatt südlich, wie noch am Anfang. Man k?nnte meinen, dass sie mittlerweile schon l?ngst wieder in Karkov angekommen sein müssten, schlie?lich gehen sie zurück in die Richtung aus der sie gekommen sind, jedoch nicht auf exakt demselben Weg. Wenn Rhiscea mit ihren Sch?tzungen richtig liegt, dann befinden sie sich gerade etwa eineinhalb Tagesm?rsche ?stlich von ihrer Stadt und bewegen sich mit etwas Abstand entlang der Grenze des K?nigreichs nach Norden.
Wieso der Elf hierhin wollte, ist ihr immer noch ein R?tsel. Weiter n?rdlich von Karkov, welches sie entweder fast oder mittlerweile ganz hinter sich gelassen haben, gibt es nur weitere St?dte mit weiteren Fürsten, unter anderem auch die Stadt der K?nige mit dem Wintersitz der Oberin. Also nichts, was für ihn von Interesse sein k?nnte.
`Was hast du vor?′, denkt sie, w?hrend sie den vor ihr laufenden Geiselnehmer anstarrt, als k?nnte er sie h?ren und würde ihr antworten. Doch das tut er natürlich nicht. Stattdessen schleicht er weiter über Wurzeln und Steine den Trampelpfad entlang.
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Jetzt wo sie ihn so sieht, f?llt ihr auf, dass er nerv?ser wirkt, als sonst. Er hat den Kopf eingezogen und die Schultern nach vorne gebeugt, fast so als würde er sich vor etwas verstecken wollen. Seine Bewegungen wirken abgerissen und gehetzt, w?hrend er sich auf beinahe lautlosen Sohlen durch den Wald bewegt.
Noch vor einigen Tagen hat er nur so vor Selbstbewusstsein gestrotzt, sich sogar mit ihr angelegt und ihr ein Messer an den Hals gehalten. Was konnte ihn so ver?ngstigt haben?
`Wenn man vom Teufel spricht′, f?hrt es ihr durch den Kopf als der Elf pl?tzlich stehen bleibt und sich zu ihr umdreht.
Sogar seine Stimme ist überraschend leise, als er verkündet:
“Es wird dunkel, wir bleiben über Nacht hier.”
Tiefes Atmen und das Rascheln von Laub rei?en sie aus dem Schlaf.
Es ist immer noch stockdunkel und offensichtlich mitten in der Nacht, als Rhea die Augen ?ffnet. über sich kann sie die Umrisse von Baumkronen erahnen, sowie den darüber aufgespannten Nachthimmel. Eine Briese rauscht durch die Bl?tter der B?ume und kurz glaubt sie, dass nur der Wind sie geweckt hat.
Müde aufseufzend dreht sie sich auf die andere Seite und will wieder weiterschlafen, als sie erneut eine Bewegung auf dem Boden wahrnimmt. Eine Bewegung die nicht ihre eigene ist. Augenblicklich erstarrt sie und lauscht in die stille Nacht hinein.
Sie kann jemanden atmen h?ren. Es ist nicht das gleichm??ige rhythmische Ger?usch, das sie von Schlafenden gewohnt ist, stattdessen durchschneiden die Stille des Waldes abrupte, flache Atemzüge, die sich mehr nach Panik als nach n?chtlicher Ruhe anh?ren.
M?glichst lautlos dreht sie sich zurück zu dem ein Stück entfernt liegenden Elfen.
Der Schutz der Dunkelheit l?sst sie nur seine Umrisse erahnen, doch bereits anhand von denen kann sie klar erkennen, dass etwas nicht stimmt.
Der Hybrid w?lzt sich von einer Seite auf die andere, die Augen fest geschlossen und hektisch atmend. Dann, pl?tzlich, setzt er sich mit einem Ruck auf und rutscht schnell nach hinten, so als würde er einer unsichtbaren Gefahr entfliehen wollen, bis er mit dem Rücken an einen Baum kommt. Erst dann scheint er wieder seine Umgebung g?nzlich wahrnehmen zu k?nnen und sieht sich etwas verwirrt um.
Mit einem zittrigen Atemzug legt er schlie?lich den Kopf in die H?nde und seufzt erleichtert auf. Für einige Momente bleibt er so sitzen, immer wieder nach Luft schnappend, wie ein Fisch an Land.
Erst als das Heben und senken seiner Brust regelm??iger wird, l?sst er die H?nde sinken und lehnt seinen Kopf gegen das Holz hinter sich. Er holt noch einmal tief Luft, bevor er z?gerlich zu Rhea hinüberlugt.
Sofort schlie?t sie die Augen, darum bemüht, so tief schlafend wie m?glich auszusehen. Es scheint zu funktionieren, denn von ihm kommt keine Reaktion mehr und sie beschlie?t ihr Glück nicht weiter auf die Probe zu stellen.
So kann sie nicht mehr sehen was er tut, stattdessen kann sie nur noch h?ren, wie die tiefen Atemzüge in ein leises Wimmern übergehen.
n?chstes Kapitel: 22.04. "Blutende Wunden leckt man nicht"